Seit vielen Jahrzehnten droht den Bewohnern des südlichen Traisentales der Bau einer Schnellstraße. Jeweils im Lichte des Zeitgeistes wird von unterschiedlichsten Politikern die „Notwendigkeit“ einer solchen Straße erklärt. Hier ein kurzer Abriss davon:
Ursprünge in der Nazi-Zeit
Erste Ideen einer Traisentalschnellstraße gehen in die Zeit des Nationalsozialilsmus zurück, der Bau einer Schnellstraße in Nord-Südrichtung mitten durch Niederösterreich sollte schnelle Truppenbewegungen ermöglichen. Es lag auf der Hand, dass die Lage des Traisentals südlich von St. Pölten eine geographisch günstige Ausgangslage bot.
Die Ideen wurden allerdings wieder verworfen, Nazi-Deutschland erkannte die wesentlich kostengünstigere Transportmöglichkeit von Kriegsmatereial per Bahn. Die damals druchgängige Leobersdorfer Bahn bot mit der Verbindung von Westbahn und Südbahn eine ideale Abkürzung für schnelle Transporte. Diese Bahnlinie wurde übrigens in den 1990er Jahren unterbrochen und teilweise still gelegt.
Die wilden 70er Jahre
Es war im Jahr 1973 als der Plan zum Bau einer Traisental Schnellstraße plötzlich greifbar wurde und die Umsetzung unausweichlich schien. Der Bau musste unmittelbar bevorstehen, die ersten Pflöcke zur Trassenmarkierung waren schon geschlagen. Die Idee war, die damals in Planung/Bau befindliche S33 zu verlängern und somit eine Verbindung von Krems nach Lilienfeld zu schaffen.
Häuslbauer in den Siedlungen von Wilhelmsburg und Traisen fanden sich über Nacht mit einer geplanten vierspurigen Autobahn in der Nachbarschaft konfrontiert. Völlig überraschend kam nach Erzählungen dieses Vorhaben ans Licht der Öffentlichkeit. Begonnene Baustellen wurden abgebrochen, Grundstücke verkauft, Politiker betonten die „Notwendigkeit“ einer Verbindung von St. Pölten nach Graz mit Slogans wie „Verkehr ist Leben“.
Nach Protesten der Anrainer ist es still geworden um dieses Projekt, Siedlungen sind entstanden, wo sie geplant waren und die Entwicklung des Traisentales und der neuen Landeshauptstadt St. Pölten auch ohne Bau einer Schnellstraße stattgefunden. Etwa 20 Jahre später wurde die Planung einer S34 eingestellt, 2002 schließlich auch aus dem Bundesstraßengesetz entfernt, es war keine Notwendigkeit mehr gegeben.
2005 Wiederbelebung der Traisentalschnellstraße Ost
Im Jahr 2005 wurde auf Betreiben des Landes Niederösterreich eine „Strategische Prüfung Verkehr“ veranlasst, es sollten die Auswirkungen einer neu zu bauenden Schnellstraße S34 auf den niederösterreichischen Zentralraum untersucht werden.
Es wurde dabei der Plan aus den 1970er Jahren aufgegriffen, die S33 nach Süden zu verlängern und somit eine durchgehende vierspurige Verbindung von Krems bis Traisen zu schaffen.
Eindeutig wird in den Planungsunterlagen auf die Transitfunktion einer solchen Schnellstraße hingewiesen.
Dass sich durch den Bau einer neuen Schnellstraße der Verkehr in der Region St. Pölten erhöht, wurde in den Untersuchungen in Kauf genommen.
Den betroffenen Anrainern wird seitens der Politik erklärt, dass sich Niederösterreich ohne diese Schnellstraße nicht mehr entwickeln kann, tausende Arbeitsplätze hingen von ihr ab, die Region sterbe, wenn nicht sofort eine vierspurige Autobahn durch das Traisental gebaut wird.
2009 Der Sparstift regiert? Schwenk auf S34 West
Durch die Finanzkrise 2008 wurde klar, dass die Zeiten des hemmungslosen Autobahnbaus bald zu Ende gehen wird und auch Bund und Land einem gewissen Spardruck unterliegen.
Die technische Realisierung der S34 wurde hinterfragt und man hat die Trasse kurzerhand westlich von St. Georgen am Steinfelde verlegt, wo sie günstiger gebaut werden kann. Für die betroffenen Anrainer kam diese Entscheidung völlig überraschend, es war ja nie die Rede vom Bau einer Schnellstraße westlich von St. Georgen.
Die Trasse führt hauptsächlich über hochwertiges Ackerland, der Flughafen von St. Pölten sollte untertunnelt werden und die B39 Pielachtalstraße angebunden. Die Anbindung des ÖBB Betriebsgebietes in St.Georgen sollte über eine „Spange Völtendorf“ und anschließender Brücke über die B20 erfolgen.
Diese Spange und die weiter führende B334 (Wilhelmsburg – Traisen) inkl. Tunnel unter der Stockerhütte, sollte vom Land NÖ finanziert werden. Das Kernstsück der S34 bleibt aber in Bundeskompetenz, abermals wurde die internationale Bedeutung der S34 für den internationalen Transit hervorgehoben.
2010 S34 West
Langsam wird den Entscheidern der Ernst der Lage bewußt und man trifft eine politische Entscheidung:
Die S34 soll gebaut werden und den ersten Teil des Rings um St. Pölten darstellen. Das Kernstück wird in zwei Abschnitte geteilt:
- Abschnitt: Anschluss B1 – Anschluss A1 – Anschluss B39 Völtendorf
- Abschnitt: Völtendorf bis Wilhelmsburg
Das Kernstück der Umfahrung von St. Pölten bleibt in Bundeskompetenz und wird von der ASFINAG geplant/errichtet/betrieben. Abermals wird die überregionale Bedeutung dieses Abschnitts für den Transitverkehr betont.
Die Anbindung des ÖBB Betriebsgebietes St. Georgen wird über eine Spange und 250 m lange Brücke vom Land Niederösterreich finanziert.
Die Weiterführung der Schnellstraße durch das Land NÖ in Form der B334 wird verschoben. Dafür gibt es Pläne, die S34 nach Norden fort zu führen und einen „Ring um St. Pölten“ zu realisieren. Dieses Vorhaben wird 2017 in das Generalverkehrskonzept von St. Pölten aufgenommen.
S34: Wohin geht die Reise?
Die Zukunft der Landeshauptstadt soll laut Verkehrsplaner so aussehen:
Die S34 soll schrittweise nach Norden verlängert werden. Sie wird vierspurig für den späteren Ausbau geplant. Als Westspange wird sie letztlich bis zur B100 führen. Zum Zeitpunkt der Realisierung liest man in den Unterlagen 2021 bereits: Ab 2030 (also 3 Jahre nach Verkehrsfreigabe S34) wäre die Verlängerung nach Norden möglich.
Im Naturschutzverfahren 2021 wird dazu auf Anfrage nur lapidar von der ASFINAG bemerkt, dass es „noch“ keine Einreichung dieses Projektes gäbe.
Der Ausbau nach Süden ist auch angedacht: die Fortführung der S34 in Form einer B334 (offene Querung von Kreisbach, dann Tunnel) liegt in den Schubladen des Landes NÖ.
St. Pölten hat also die besten Voraussetzungen für eine Verkehrsachse mit einem echten Autobahnkreuz, interntionalem Transitverkehr und einer Lärm- und Feinstaubbelastung, die sich niemand wünschen kann.